Corona, zum Sterben schön? Nein!

Am Ende dieses Jahres 2021 mag ich als Initiator von vielen großen und kleinen Events wie diesem hier ausnahmsweise mal etwas in eigener Sache mitteilen, was dieses Jahr 2021 leider sehr aktuell war. Ich wurde gebeten, zum Thema Corona meinen „Fall“ zu erzählen, also, hier ist er. Und es gibt auch einen kurzen Filmbeitrag dazu im Hessischen Rundfunk, Link weiter unten im Text oder Klick auf Bild.

Auf der C1
Nochmal auf der Intensiv-Station Uniklinik Frankfurt …

Es begann ganz harmlos …

Ende Juni ging es mir plötzlich recht schlecht. Es fühlte sich wie ein grippaler Infekt an, besserte sich aber nach Tagen nicht, wie das sonst immer der Fall war. Zwei Schnelltests in der gleichen Woche waren zwar negativ, bis mich dann mein Hausarzt am 5.7. untersuchte und Covid-19 diagnostizierte. Ich wurde sofort mit einem speziellen Krankenwagen von der Arztpraxis direkt in die Uniklinik gebracht und dort wurde Corona per PCR bestätigt, denn die beiden Schnelltests vorher waren falsch negativ.

Es ging mir in der Klinik dann am ersten Tag noch recht gut, aber von Tag zu Tag bekam ich weniger Luft, was mich zusehends immer mehr ängstigte. Der Sauerstoff, den ich über die ‚Sauerstoffbrille‘ (zwei Stifte in die Nase) die kommenden Tage bekam, lag am Anfang bei 2 Liter/Minute und stieg über 5, 10, 20, zuletzt bis 50 Liter/Min an (mehr geht nicht) und es musste letztlich eine Gesichtsmaske her, die Mund und Nase bedeckte, damit ich noch etwas Luft bekam.

Immer wenn mein Überwachungsmonitor feststellte, dass meine Sauerstoffsättigung unter einen Schwellwert fiel, signalisierte er dies mit zwei bestimmten Tönen. Dann atmete ich per Lippenpressung aus, was der Lunge etwas half, mehr Sauerstoff im Körper zu halten und der Monitor verstummte. Für eine Weile. Dann kam er wieder und es begann von vorn. Jedes Mal Angst, jedes Mal Lippenpressung, jedes Mal wieder Stille, etwas Entwarnung. Aber die Abstände wurden immer kürzer, unaufhaltsam…

Am 12.07. meinte ein Arzt zu mir: „Herr Buthe, klären Sie Ihre Verhältnisse, denn es sieht nicht gut aus, das haben Sie ja selbst schon gemerkt! Und erlauben Sie uns, Sie zu ggf. zwangsbeatmen, falls das noch nötig wird!“

Das war ein Schock für mich!

Ich rief meinen guten Freund Roland Ehle an und bat ihn, dass ich ihm eine Vollmacht unterschreiben dürfe, damit auch er ggf. diese schlimmsten Entscheidungen mit treffen könnte, die ich meiner Familie nicht alleine zumuten wollte, wenn ich „weg bin“. Ich kannte die Prognosen, wenn man zwangsbeatmet wird und die Kombination aus Todesangst und Atemnot gehört hinfort zum Schlimmsten, was ich je erlebte.

Am Morgen des 14.07.21, kurz vor 5 Uhr, weckte mich mein Körper noch einmal und signalisierte mir: „Es ist Zeit zu gehen!“ Ich lag auf dem Bauch, weil das eine Lage ist, die der Lunge „gut“ tut, aber das half nicht mehr – ich bekam einfach nicht mehr genügend Luft. In einem letzten Anruf zu meiner Frau um 04:55 Uhr (hinterher nachvollzogen) flüsterte ich ihr noch ein paar Worte der Entschuldigung zu, dass ich ihr das antue, bevor meine Lunge endgültig aufgab. Der Monitor beschwerte sich nicht mehr, man hatte mir diese Töne bereits am Vorabend erspart und sie nachts abgeschaltet. Danke dafür nochmal, liebe Uniklinik, denn diese Töne sind die Hölle!

Um 5:01 Uhr bin ich bei lebendigem Leib und vollen Bewusstsein erstickt!

Mein Puls war kurz vor 5 Uhr um die 100/Minute und fiel nach fünf Uhr mit einem Schlag auf unter 40 ab, wie ich hinterher mit der Klinik über die Computeraufzeichnungen rekonstruierte. Das Handy meiner Frau bekam diesen Rettungsversuch noch mit, denn meine Telefonleitung zur ihr stand da noch. Wann mich das Beatmungs-Team per Trachialkatheter und Direktbeatmung „zurückholte“, bekam ich selbst alles nicht mehr mit.

Wer mich kennt, der weiß, dass ich aktiver Christ bin und mein letzter Gedanke zu Gott war: „Sehen wir uns gleich oder muss/soll ich nochmal wegen irgendwas zurück? Wenn ja, lass mich nicht als lebloses Stück Fleisch zwischen Kabeln und Schläuchen bis zu meinem Ende dahinvegetieren!“

Im Koma

Nach dem Wegkippen befand ich mich in der Folge über fünf Wochen in einem künstlichen Koma und war davon drei Wochen an einer sogenannten ECMO angeschlossen. Das ist eine Maschine, die außerhalb des Körpers das Blut mit Sauerstoff anreichert und es wieder in den Körper zurückführt. Die ECMO kommt dann zum Einsatz, wenn die Lunge, wie bei mir, den Dienst komplett versagt, nicht mehr beatmet werden kann und der Körper dann nur noch durch diese recht komplizierte Maschine atmet. Diese gibt es nur in wenigen Krankenhäusern und nicht jeder kann sie bedienen. Die Uniklinik hat recht viele davon, über 20, und auch Menschen, die sie bedienen können. Ich hatte das Glück, dass man im Juli nicht so viel zu tun hatte und man kümmerte sich ganz toll um mich.

Aber diese Wochen waren für meine Familie eine sehr schlimme Zeit, denn „Unverändert“ war sehr lange die Antwort, wenn sie sich täglich in der Klinik nach meinem Zustand erkundigte. Die meisten Menschen überleben die ECMO in solchen schweren Fällen nicht und daher bleibt man als Angehöriger in einer Dauerangst mit diesem „Unverändert“.

Aber nach drei Wochen setzte meine Lungentätigkeit doch wieder ein, ich konnte von der ECMO weg, blieb aber noch im Koma, da mein Kreislauf sich gegen ein Aufwachen noch wehrte. Aber ich konnte schließlich doch in eine spezielle Aufwachklinik in Rüdesheim verlegt werden, wo man mich ganz langsam aus dem Koma holte und es begann danach das sogenannte Weaning.

Der Weg zurück ins Leben

Wenn man so lange im Koma liegt, hat man nach dem Erwachen keinen funktionierenden Muskel mehr im Körper und auch der Gleichgewichtssinn ist komplett weg – man muss daher, wie ein kleines Kind, einfach alles ganz neu erlernen. Man hatte keine Kraft, nirgends. Das bedeutet, dass man in der Zeit nach dem Aufwachen sehr lange völlig hilflos ist. Kein Arm, kein Bein, keine Hand, keine Finger, nirgends ist noch Kraft. Man kann nicht mal auf der Bettkante sitzen, selbst wenn man aufgeholfen bekommt, weil keine Gesäßmuskeln mehr da sind, Man kann nicht essen oder trinken, weil dazu Arm und Finger nötig sind. Man kann keine Bedientasten am Bett drücken, nichts greifen, nichts halten (Handy), kein Toilettengang, kein eigenes Waschen oder Duschen – rein gar nichts davon! Man kann nicht sprechen, weil durch ein Loch in der Luftröhre Pflegekräfte Sekret aus der Lunge absaugen, denn auch das Abhusten kann man noch nicht selbst. Man kann praktisch nicht kommunizieren, da Arme, Hände und Zunge noch nicht arbeiten. Schlucken kann und braucht man nicht, weil man eine Magensonde hat. Andere Richtung Katheder und Windeln. Schlimm? Ja, ist es! Schamgefühle? Luxus, den man sich nicht leistet, denn man will leben!

Selbst essen und trinken

Irgendwann konnte und durfte ich wieder schlucken und erst begann das Trinken. Als das klappte, durfte ich vorsichtig mit dem Essen beginnen. Immer öfter wurde das Loch vorne am Hals geschlossen und ich konnte dann kurz reden. Ist das Loch aber offen, kann keine Luft an den Stimmbändern vorbei geführt werden.

Ich kämpfte mich wieder raus aus diesem Tal und zurück in ein zweites Leben. Ich lernte erst auf der Bettkante sitzen. Dann lernte ich mit Hilfe eines Therapeuten ein paar Sekunden stehen – ein irres Glücksgefühl! Zwei Wochen später lief ich mit einem speziellen Unterarm-Rollator ganz langsam einmal durch die ringförmige Intensivstation. Ich hatte 35 Kilo abgenommen und sah wie ein kraftloses Klappergerüst aus, da alle Muskeln weg waren. Wer mich von früher kennt, wäre geschockt gewesen, mich so zu sehen.

Die Reha

Ich war sehr eisern bei dem, was ich erreichen wollte und alle Therapie- und Reha-Pläne der Kliniken habe ich dauernd über den Haufen geworfen, denn das ging mir alles zu langsam. „Herr Buthe, Sie haben eine extrem enthusiastische Zielorientierung!“ sagte mir mal ein Arzt in den Reha-Wochen, die folgten, aber man kennt mich ja ein wenig.

Insgesamt war ich 3 ½ Monate ununterbrochen in drei verschiedenen Krankenhäusern auf sechs verschiedenen Krankenstationen, einmal sogar mal ein paar Tage auf einer Palliativ, weil auf der Intensivstation gerade kein Platz mehr war.

In dieser langen Zeit haben mir sehr viele Menschen aus ganz Deutschland und aus allen meinen Tätigkeitsbereichen Nachfragen und Genesungswünsche übersandt und ich werde diese niemals mehr komplett beantworten können, aber ich bedanke mich sehr bei euch, dass so viele an mich dachten – das habe ich in diesem Übermaß nicht erwartet, Wahnsinn! Als ich aus dem letzten KH-Aufenthalt nach Hause zurückkehrte, hatte ich etwas mehr als 30.000 ungelesene Mails incl. Spam, da ich mich 3 ½ Monate, auch während der Reha von Mails und den social medias fernhielt.

Gleich zu Beginn meiner Erkrankung wurde leider mein Handy gestohlen, man konnte mich daher auch nicht unter meiner bekannten Nummer erreichen, denn ich hatte monatelang ein anderes Handy unter anderer Nummer, sorry. Alle Nachrichten in dieser Richtung erreichten mich daher nicht mehr und waren auch später mit einer neuen SIM-Karte alle weg.

Ich danke allen, welche in den Klinken mit meinen Wünschen sehr souverän umgingen. Ich war vorher vielleicht kein einfacher Mensch (Hörensagen) und vermutlich war ich es auch in meiner Hilflosigkeit nicht. Ihr seid in diesen Pflegestationen für mich die Heldinnen und Helden!

Fragen und Antworten

Die Uniklinik Frankfurt und auch viele aus eurem Kreis erbaten von mir, dass ich doch meine „Story“ irgendwie veröffentlichen solle, was ich hiermit nun tat. Mit der Uniklinik drehte der HR am 28.12.21 mit mir auch einen Film, der dann in der Hessenschau vom 29.12.21 zu sehen war. (YouTube: https://youtu.be/a1JjvS6xEAE?t=825s)

Da mit all dem Geschehen auch ein paar Fragen verbunden sind, beantworte ich diese vorab, so gut ich kann und werde diese ggf. auch immer weiter ergänzen. Wer mich etwas fragen will, kann das übrigens gerne auch per Telefon und Mail tun, meine Kontaktdaten sind bekannt bzw. können auch ggf. beim HR erfragt werden. Mailantworten dauern etwas.

Frage: Warst du geimpft?

Antwort: Nein, aber ich war kein Impfgegner, ganz im Gegenteil. Ich wollte eigentlich nur noch abwarten, bis auch die zuvor aufkommende Virus-Mutation „Delta“ in den Impfstoffen hinreichend berücksichtigt werden würden. Dieses Abwarten war erstens falsch und zweitens fatal, denn es hat mich praktisch (fast) das Leben gekostet.

F: Hast du von dem Moment des Erstickens bis zum Aufwachens in der zweiten Klink irgendetwas während des Komas empfunden, woran du dich erinnerst?

A: Nein! Diese fünf Wochen Koma vergingen für mich in einem Augenblick, also völlig ohne jegliche Erinnerung. Dieser Kampf ums Überleben fand somit zwar mit mir, aber doch irgendwie auch ohne mich statt. Aber beide Momente, das Ersticken am 14.7. und das Erwachen Mitte/Ende August, sind mir sehr wohl präsent und ich werde diese wohl nie mehr vergessen. Während des Komas war es dann auch noch ein paar mal sehr knapp, wie ich dem Arztbrief der Uni entnehmen konnte und ich sprang wohl dem Teufel auch da immer mal von der Schippe, wie man so schön sagt.

F: Hast du gesundheitliche Schäden zurückbehalten?

A: Das gehört mit zu dem og. Wunder. Gerade die Lunge, die mich praktisch ‚umbrachte‘, konnte sich während des Komas nahezu vollständig erholen, was schier unglaublich ist. In den ersten Lungenfunktionstests schnitt sie später sofort wieder sehr gut ab. Aber Lunge ist nicht alles…

Ich habe trotzdem bestimmte long-covid-Symptome, an denen ich noch zu knabbern habe. Aber ich hatte mir schnell einen Slogan zugelegt, der mir von Anfang an beim Bewältigen von Schmerzen in der Reha half: „Sei froh, dass dir was weh tut, denn es beweist, dass du noch lebst!“ Immer wieder sorgte das dafür, dass ich eine Wahnsinnsgeschwindigkeit in der Reha hinlegte, weil ich die Zähne zusammenbiss.

F: Hat dich das alles verändert?

A: Ja, es ändert alles! Es ist ein zweites Leben und wenn ich den Ärzten Glauben schenken darf, war das eben ein absolutes Wunder, denn als ich an die ECMO kam, waren meine Chancen bereits ziemlich aussichtslos. War ich vorher eher sehr altruistisch unterwegs, habe ich nun gelernt, den Regler Richtung „Werner“ zu ziehen, denn ob ich nochmal eine dritte Chance bekomme, ist mehr als fraglich.

Ich gestehe allerdings, dass ich auch sensibler durch die Tage gehe und bereits in den vielen Reha-Wochen habe ich genau auf die Menschen geachtet, die mir begegneten. Da waren etliche dabei, die es zwar weniger schwer erwischt hat, die aber eine schlechtere Perspektive hatten als ich.

F: Hat das dein Verhältnis zu Impfgegnern verändert?

A: Nein! Sie müssten selbst erleben, was ich erlebt habe, dann könnten sie ihr Verhältnis zum Impfen vielleicht überdenken. Ich selbst kann verstehen, wenn Menschen Angst vor dem Impfen haben, aber Verstehen und Gutheißen sind für mich von jeher zwei völlig verschiedene Dinge. Ich kann jedem sagen, der Angst vor angeblichen Impffolgen hat, dass diese sehr diffus und statistisch extrem unwahrscheinlich sind, aber Ersticken ist real und sehr grausam. Auch die Tage, bis es soweit ist, dass man an die Beatmung muss, sind grausam. Die neun Tage vom 5.7., als ich in die Uniklinik eingeliefert wurde bis zum 14.07., als ich erstickte, waren die schlimmsten meines Lebens – das will einfach niemand!

F: Gibt es etwas, was du anderen noch mitgeben könntest bzw. willst?

A: Ja gerne! Wenn es dir so richtig schlecht geht und du nicht mehr weiter weißt, ob und wie es weitergeht, dann lies das oben nochmal, denn ‚aussichtslos‘ ist noch lange nicht aussichtslos! Sicher ist manches nicht mehr zu ändern, aber ob dies so ist, weißt du vorher nicht. Es gibt Hoffnung bis zuletzt! Aber tue, was du selbst tun musst. Manchmal reicht eben Gottvertrauen, ein vorgeblich gutes Immun-System und Fitness allein nicht aus, denn das hatte ich auch alles.

Fazit

Man erzählte mir hinterher, dass während des Komas wohl verschiedene Ärzte und Schwestern, die eigentlich mit meiner Station nichts zu tun hatten, immer wieder nachfragten: „Und? Kämpft er noch?“ Ich selbst war an diesem „Kampf“ zu dem Zeitpunkt nicht mehr beteiligt, aber meine Familie war direkt betroffen. Was sie aushielt, war übermenschlich und auch das wünscht man niemand. Wer glaubt, dass man das doch selbst entscheiden müsse, ob man sich vor Corona schützt oder nicht, mag an seine Familie und Freunde denken, denn diese leiden Qualen, die man nicht beschreiben kann. Meine Frau hatte ich auch noch angesteckt und sie war 14 Tage ganz allein zu Hause in Quarantäne, als ich ins Koma fiel und sie litt am meisten! Sie war glücklicherweise seit Mai voll durch geimpft gewesen und das rettete ihr das Leben, denn sie hat COPD als Vorerkrankung.

Eines vielleicht noch: am 24.12.21, Heilig Abend, sagte sie zu mir am Morgen: „Weißt du, was das größte Geschenk ist? Dass es dich noch gibt!“

Wünsche

Bitte passt auf euch auf. Tut, was nötig ist, um euch zu schützen und lasst alles, was euch und andere in Corona-Gefahr bringt, denn es kann töten. Ich weiß es genau und habe es erlebt!

Teilt diesen Beitrag gerne und wie erwähnt, stehe ich für Rückfragen zur Verfügung, aber eines noch am Ende. Im Vorwort des Buches des Papst aus 2007 heißt es: „Es steht daher jedermann frei, mir zu widersprechen. Ich bitte die Leserinnen und Leser nur um jenen Vorschuss an Sympathie, ohne den es kein Verstehen gibt.“ Auch ich bitte um diesen Vorschuss, denn ich habe eine eigene Sicht auf Corona, der keinen Spielraum in bestimmte Extrem-Richtungen mehr zulässt.

Allen ein gutes neues Jahr mit viel Kraft und Zuversicht!

Werner Buthe, Frankfurt, Dezember 2021

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